WDR5-Interview mit Dr. Breyer über seine Arbeit für die Khmer Sight Foundation in Kambodscha

Am 27. August 2018 sprach Dr. Breyer beim WDR 5 n der 'Redezeit' bei 'Neugier genügt' über seinen Wohltätigkeitseinsatz für die Khmer Sight Foundation im Anne Duong Hospital in Phnom Penh. Das Gespräch führte Thomas Koch. Hier finden Sie das Interview sowohl als Podcast, als auch darunter als Abschrift. Viel Spaß beim Zuhören oder Lesen.

WDR 5 Neugier genügt – Redezeit vom 27.08.2018 (25:14 Minuten)

Abschrift des Interviews mit Dr. Detlev Breyer

Thomas Koch (TK): „Zu Gast in der WDR5 Redezeit ist jetzt ein Mann, der sich für die Khmer Sight Foundation in Kambodscha engagiert. Das ist eine Organisation die Augen-OPs durchführt und Augenärzte ausbildet um zu verhindern, dass in Kambodscha Menschen erblinden. Das Schicksal haben derzeit dort jedes Jahr etwa 10.000 Menschen, die meisten dieser Fälle könnten verhindert werden. Guten Morgen, Dr. Detlev Breyer.”

Dr. Detlev Breyer (DB): „Guten Morgen.”

Thomas Koch und Dr. Breyer halten Shirts mit dem Logo der Khmer Sight Foundation hoch.

TK: „Schön, dass Sie hier sind. Augenchirurg aus Düsseldorf, wo sie mit zwei Kollegen eine Privatpraxis betreiben. Montag, kurz nach 11. Was würden Sie normalerweise tun, wenn Sie jetzt nicht gerade hier bei WDR5 sitzen würden?”

DB: „Also wenn ich jetzt gerade nicht hier sitzen würde, wäre ich entweder im OP oder hätte Sprechstunde. Und mein Fachgebiet unter uns Dreien ist, dass ich den grauen Star operiere. Deshalb kommt auch gleich Kambodscha ins Spiel und Brillen-weg-lasern”

TK: „Wie viele Eingriffe führen Sie durch an so einem Montag Vormittag?”

DB: „Wir machen pro Tag ungefähr zwischen 10 und 20 Fälle, die ich selber operiere.”

TK: „Das sind hochtechnische Geräte, die Sie dort haben, also Laser wahrscheinlich in erster Linie.”

DB: „Ja, so ist es. Also wir sind Laserspezialisten, haben auf dem Gebiet immer das Neueste, was eigentlich auf dem Markt ist. Bei den beiden Lasern, die ich dafür brauche, waren wir die ersten Fünf in Europa und weltweit auch, die damit gearbeitet haben. Also wir versuchen immer sehr innovativ zu sein und damit so minimalinvasiv und atraumatisch wie möglich zu operieren.”

TK: „Und sind damit auch recht erfolgreich, wurden auch mehrfach ausgezeichnet dafür, dass man bei Ihnen in guten Händen ist, wenn man dort behandelt wird.”

DB: „ Ja, netterweise auch vom Focus Magazin, aber auch von Wissenschaftlern. Letztens haben wir zum Beispiel den 'Pulitzer-Preis' der Deutschen Katarakt- und Refraktiv-Chirurgen erhalten, was natürlich das Schönste ist, was man in meinem Bereich gewinnen kann oder auch in Amerika ... über so etwas freut man sich, klar!”

TK: „Also wenn man in Düsseldorf zu Ihnen reinkommt, stelle ich mir vor, ist das alles ziemlich elegant und technisch auf dem neuesten Stand, wie Sie uns gerade berichtet haben. 2015 wurde in Kambodscha die Khmer Sight Foundation gegründet, – grad schon kurz erwähnt – die sich darum kümmert, Kambodschaner vor dem Erblinden zu bewahren. Wie haben Sie Kontakt zu dieser Organisation bekommen?”

Dr. Breyer, links neben ihm Prof. Sunil Shah. Vorne rechts ist HRH Prince Tesso Sisowath aus Kambodscha.

DB: „Eigentlich eine ganz interessante Geschichte: Die britischen Refraktiv-Chirurgen hatten mich nach England eingeladen, um ein Referat zu halten und der damalige Präsident... ”

TK: „Refraktivchirurgen sind die, die diese Augenoperationen durchführen...”

DB: „Refraktivchirurgen genau, die operieren Brillen weg. Das ist die refraktive Chirurgie.”

TK: „Augen-...”

DB: „Ja genau, Entschuldigung. Also Brille-weg-Augenchirurgen.”

TK: „Verstehe ja.”

DB: „Und Graue-Star-Augenchirurgen.”

TK: „Der Feind des Optikers. Ach nein, es gibt genug Brillen, glaube ich.”

DB: „Genau, glaube ich auch, das ist Geschmackssache, richtig. Und der Präsident dieser Vereinigung, mit dem saß ich dann abends am Tisch und er sagte: 'Mensch, ich hab da eine Geschichte, ich glaube, da würdest du mit deiner Einstellung und deinem Gedankengut perfekt reinpassen.' – Und mit dem fliege ich zehnmal im Jahr um die Welt in Amerika, in Asien, in Australien. Also trafen wir uns in Singapur mit einem Herrn Sean Ngu, einem kambodschanischen Unternehmer, der eben auch helfen möchte und aus dem Grund die Khmer Sight Foundation gegründet hat. Das war die Brücke. Wir haben überlegt, wie wir das eigentlich machen sollen. Also haben wir das Ganze vom Beginn an geplant.”

TK: „Kannten Sie Kambodscha, also als Reiseland? Waren Sie mal dort?”

DB: „Gar nicht, noch nie. Ich war mal in Vietnam eingeladen eine Linse, ein Produkt, einzuführen für einen Vortrag. Ich bin öfter in Singapur, weil da große Kongresse sind im asiatischen Bereich, aber Kambodscha war für mich wirklich neu...”

TK: „Wann waren Sie denn das erste Mal dort und was haben Sie dort erlebt?”

DB: „Das war letztes Jahr, dann wirklich auch das erste Mal und mein Freund, Professor Sunil Shah aus Birmingham, hat es ganz gut beschrieben: Wir wussten, wir haben einen Marathonlauf vor uns und das Ganze in Flip Flops.”

TK: „Sie hatten wenig Zeit und nicht die Geräte, die man braucht.”

DB: „Ja und nein. Mit den Geräten, das kam so zustande: Letztes Jahr haben meine Frau und ich, wir wohnen seit 20 Jahren in Düsseldorf, sind aus Bayern hier hingezogen, wurden sehr nett aufgenommen und haben gedacht: Hier müssen wir ein bisschen was zurückgeben, haben viele Freunde eingeladen, eine große Party gemacht und gesagt, wir möchten keine Geschenke, aber das, was wir einnehmen, bitte als Spendengelder und ihr könnt euch sicher sein, dass nichts an eine Organisation geht. Wir fliegen umsonst dahin, zahlen unser Hotel und zahlen unser Essen selbst.

Unser Freund aus Birmingham, Herr Professor Sunil Shah eben auch. Das heißt, jeder Cent, den ihr spendet, der kommt wirklich Patienten zugute. Von diesem Geld haben wir dann Geräte gekauft. Dadurch, dass wir viel Industrieberatung machen, kennen wir die richtigen Leute, die dann natürlich erfreulicherweise auch ein großes Herz haben und uns die Geräte wirklich günstig, hier Dank an die Industrie, verkauft haben. Das Ganze nach Kambodscha geschifft hat Dr. Florian Kretz von der Klinik Ahaus, der auch in Rheine tätig ist. Er hat das ganze Equipment nach Kambodscha bringen lassen. Es kam auch wirklich einen Tag vor uns an. Also – es war spannend.”

TK: „Also das war wirklich der Startpunkt.”

DB: „Ja.”

TK: „Dieser ganzen Aktivitäten.”

DB: „Ja, ja.”

Dr. Breyer , 2.v.l, mit Sean Ngu, Mitte, hinter ihnen Patienten, die auf eine Untersuchung warten.
Dr. Breyer , 2.v.l, mit Sean Ngu, Mitte, hinter ihnen Patienten, die auf eine Untersuchung warten.

TK: „Ja. Marathonlauf in Flip Flops. Lassen Sie uns, bevor wir über die Flip Flops sprechen, über die Marathonstrecke sprechen: Was haben Sie sich vorgenommen, was haben Sie dort gesehen? Was war Ihre Aufgabe?”

DB: „Erst mal einigermaßen Strukturen zu schaffen. Sozusagen, denn wir hatten ja noch nicht einmal OP-Schwestern. Wir hatten keine offiziellen Übersetzer. Wir hatten keine Struktur, wie schauen wir die Patienten an, wie ordnen wir das Ganze? Also erstes Problem fing mit der Logistik an, was man ja gar nicht gewohnt ist. Denn ich komme in meinen OP und es ist alles da, es ist alles bestellt und es fluppt jeden Tag. Dort musste man sich plötzlich das erste Mal selber drüber Gedanken machen, wie organisiert man denn eigentlich die Versorgung einer Bevölkerung, wie setzt man seine Prioritäten, wie kriegt man das Ganze logistisch hin? Also es war eine deutlich größere Herausforderung, als ich gedacht habe. Das wurde mir ehrlich gesagt auch erst bewusst, als ich dort war.”

TK: „Welche Patienten hatten Sie?”

„Es geht in dem Projekt darum, wirklich die sehr armen Leute auf dem Land zu versorgen. Man muss sich vorstellen: 10 Prozent leben unterhalb der Armutsgrenze, 40 Prozent verdienen nur zwei Dollar pro Tag, das ist alles. Diese können sich also unmöglich einen Bus in die Stadt leisten, sie wissen nichts über die Stadt. Hinzu kommen wahrscheinlich auch Aspekte wie Scham, also dass sie sich sagen: Zu wem soll ich denn gehen, wen soll ich darum bitten, mir zu helfen? Das heißt, es sind alles Menschen, die erblindet sind und wirklich nichts (!) mehr sehen, denen wir helfen wollten. Um sich der Relation vorstellen zu können, muss sich einfach nur folgendes vor Augen führen: In Düsseldorf haben wir 50 Augenärzte für 600.000 Patienten. Dort gibt es gerade einmal 38 Augenärzte für 18 Mio. Patienten. Da merkt man dieses Ungleichgewicht.”

TK: „Ja, wie sind Sie daran gegangen? Weil letztendlich, Sie waren der Fachmann, Sie können sich nur um einen Einzelnen kümmern und dann muss es drum herum auch stimmen. Wie war das dann?”

DB: „ Also eine sehr große Hilfe war natürlich Sean Ngu, der Unternehmer ist, der selbst auch eine kleine Mikro-Bank hat und dazu hatten wir die Unterstützung der königlichen Hoheit von HRH Prince Tesso Sisowath in Kambodscha. Wir hatten außerdem die Unterstützung von Medizinstudenten, die übersetzt haben, aber wir saßen dann wirklich abends da mit einem DIN A4 Blatt und haben überlegt, wie können wir es denn am besten organisieren und alleine die Geräte aufbauen. Wenn ich in Düsseldorf ein neues Gerät bekomme, dann sind alle Techniker vor Ort, die das Gerät aufbauen. In Kambodscha musst du alles selber machen.”

TK: „Also Sie haben offensichtlich auch sehr viel gelernt.”

DB: „Ja definitiv! Gelernt und gestaunt, ja.”

TK: Waren das dann die Geräte, die Sie auch aus Düsseldorf kannten?”

DB: „Nein, ich habe dort mit anderen Maschinen gearbeitet, denn von den Geräten, die ich in Düsseldorf habe, hätten wir nur eins nehmen können für den Preis von fünf anderen. Deshalb haben wir lieber fünf andere genommen und die auch nicht so hochtechnisch sind wie die, die bei uns in Düsseldorf stehen, weil ... beste Technik macht bei uns Sinn für Patienten, die perfekt sehen wollen, macht aber in der „zweiten, dritten Welt“ natürlich keinen Sinn.”

TK: „Was waren dann die konkreten Fälle? Sie sagten Menschen, die schon erblindet waren, kamen zu Ihnen. Konnten Sie denen dann helfen, konnten Sie Augenlicht zurückgewinnen, wie und was haben Sie gemacht?”

DB: „Ja, also eine Haupterblindungsursache in diesen Ländern ist die starke Sonnenbestrahlung, denn da trägt wirklich niemand eine Sonnenbrille auf dem Land – logischerweise. Durch die starken Sonnenbestrahlungen kann ein grauer Star, eine Trübung der Linse, entstehen. Wenn man das Auge mit einem Fotoapparat vergleicht und sich den Fotoapparat bildlich vorstellt, hat man vorne das Linsensystem und hinten den Film. Wenn das Linsensystem, wenn das jetzt gräulich, braun-gräulich eingefärbt ist, dann kommt natürlich hinten auf dem Film kein Licht mehr an und man kann nicht fotografieren. Und wir haben eben diesen grauen Star entfernt und Kunstlinsen implantiert. Das war der eine Teil. Der andere Teil ist, dass in feuchtwarmen Gebieten ein sogenanntes Flügelfell auf der Hornhaut zuwächst. Die Hornhaut ist bei uns Menschen das klare Fenster nach außen und wenn darauf etwas wächst, dann verzieht sich diese Hornhaut, man sieht anfänglich nicht mehr gut – bis man schließlich gar nichts mehr sieht. Und dieses Flügelfell, das dann teilweise sehbedrohend ist, haben wir auch operiert.”

TK: „Wie lange waren Sie dort und wie viele Patienten hatten Sie in der Zeit?”

„ Also wir selber waren nur zwei Wochen da und gesehen haben wir pro Tag 200 bis 300 Patienten und operiert mit dem ganzen Team zusammen 40, 50 ungefähr waren es, ja. Also es ist natürlich noch, wenn man die Zahlen sich vorstellt, ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber das Schöne ist, wir haben das Ganze nur angeschoben, das geht jetzt weiter. Das heißt letztes Jahr kamen Ärzte aus Österreich, aus Großbritannien, aus Italien, aus Singapur, aus Australien und eine größere australische Organisation ist mit eingestiegen. Und dadurch, glaube ich, haben wir jetzt so einen Schneeballeffekt, dass immer mehr Leute dazu beitragen. Und Professor Shah und ich sind eben viel auf Kongressen in der ganzen Welt unterwegs. Wir zeigen dann die Dias und das motiviert natürlich auch wieder andere Ärzte. Die kommen auf uns zu, ihr habt euch da engagiert und jetzt läuft das ganz gut. Wir sind sehr glücklich.”

TK: „Wie fühlen Sie sich dabei?”

DB: „Glücklich. Glücklich. Es ist etwas, das Spaß macht und das ist natürlich nochmal ein neues Gefühl. Ich hab sowieso schon dieses riesen Glück in der Augenchirurgie zu arbeiten. Man kann sich vorstellen, wenn Patienten ein Leben lang eine Brille getragen oder schlechter sehen und am nächsten Tag, wenn man die Klappe abnimmt und sehen diese Patienten gut.”

TK: „Die Dankbarkeit ist sehr groß.”

DB: „Ja genau, genau, genau. Ja man wird durchaus gerne mal in den Arm genommen.”

TK: „Ja, das haben die Orthopäden nicht, dieses Glück. Meistens, also was man so hört. Wie haben Sie den Kontakt mit den Patienten erlebt? Weil, wenn eine Augenkrankheit so verbreitet ist, dass so viele Menschen darunter leiden und sich das rumgesprochen hat, da ist jetzt einer, da gibt’s diese Stelle, der kann euch helfen, war der Andrang wahrscheinlich riesengroß und die Trichteröffnung am Ende für die, die durchkamen, entsprechend klein.”

DB: „Ja, also es ist ja so: Wir mussten aufs Land fahren, weil diese Leute ja meistens nicht kommen können. Die haben die Transportmöglichkeiten nicht. Und dann kommt man eben auf so ein freien Platz, die Leute warten unter Bäumen. Man hat dort einen langen Schreibtisch und natürlich wollte alle erstmal anströmen. Da man uns Deutschen ja nachsagt, wir könnten ganz gut organisieren, musste ich das auch erstmal tun. Ich hab gesagt okay, vorne wird übersetzt, gefragt, danach wird nach der Indikation gefragt, also warum oder welchen Nutzen hat er, wenn er wieder besser sehen kann, zum Beispiel unterstützt er eine Familie, arbeitet er mit gefährlichen Maschinen und so weiter. Und irgendwie auch nur annähernd zu skalieren, wer hat eine OP wirklich nötig und wie erstelle ich eine Prioritätenliste? Das geschah eben irgendwo auf dem Land.”

TK: „Welche Mentalität haben Sie erlebt bei den Menschen? War Ihnen irgendetwas bekannt, was Sie auch ähnlich bei Düsseldorfer Privatpatienten schon erlebt haben?”

DB: „Außer Dankbarkeit ... Nein.”

V.l.n.r.: Co-Founder der Khmer Sight Foundation, Sean Ngu, einer seiner Mitarbeiter, Prof. Sunil Shah, eine Patientin aus Phnom Penh, Dr. Detlev Breyer, Prinz HRH Tesso Sisowath und Prinzessin Sita Norodom von der Khmer Sight Foundation.
V.l.n.r.: Co-Founder der Khmer Sight Foundation, Sean Ngu, einer seiner Mitarbeiter, Prof. Sunil Shah, eine Patientin aus Phnom Penh, Dr. Detlev Breyer, Prinz HRH Tesso Sisowath und Prinzessin Sita Norodom von der Khmer Sight Foundation.

TK: „Ich will in keine Klischees verfallen, sondern ich dachte im Moment aber an so Pelzjäckchen, die vorne abgegeben werden, bei Düsseldorf jetzt. Die gibt es ja.”

DB: „Das Interessante ist ja, wir haben Patienten aus ganz Deutschland und eher Patienten, die sagen, mir ist mein Augenlicht alles, ich möchte einen super Spezialisten haben. Also es ist natürlich mal das Pelzjäckchen, aber es ist auch die U-Bahnfahrerin aus Berlin, durchaus. Also sehr unterschiedlich.”

TK: „Aber nochmal zu der Mentalität der Menschen in Kambodscha, wie haben Sie die erlebt?”

DB: „Natürlich über die geschichtliche Vergangenheit ein wirklich gebeuteltes Volk. Die momentane politische Situation ist auch gar nicht so einfach. Dieses Land hat zwar ein großes Entwicklungspotenzial, aber man merkt einfach, wenn man aufs Land fährt, das sind ganz, ganz, ganz einfache Menschen, Bauern, ganz einfache kleine Händler und da ist die Kommunikation tatsächlich auf das Fachliche reduziert. Man muss es aber auch so machen, sonst kann man nicht an einem Vormittag 300 Patienten sehen. Also da kam das Menschliche eigentlich zu kurz, weil man versucht hat, so vielen Menschen wie möglich in so kurzer Zeit zu helfen. Also ich bin da so. Bei mir geht da ein Raster an und dann fange ich nicht an zu schwätzen, sondern sage, ich bin hier, meine Aufgabe ist hier zu helfen und nicht Wohlgefühl zu verbreiten. Und da bin ich sehr, sehr strukturiert dann.”

TK: „Der Mann schaut dir in die Augen, klar. Welche Momente haben Ihnen dann die Gewissheit gegeben, dass Sie dort am richtigen Platz sind oder hat sich das erst nachher eingestellt?”

DB: „Nein vorher schon, also als man einfach gemerkt hat, welche Not dort herrscht und welche Chancenlosigkeit auch diese Menschen haben, es gibt ja nichts Schlimmeres als wenn sie irgendwo auf dem Land wohnen, sie sehen nichts mehr, sie haben keine Orientierungshilfen, sie haben keine Möglichkeit Geld zu verdienen, sie haben keine Möglichkeit der Familie zu helfen, sie haben keine Möglichkeit sich zu unterhalten, also das ist schon schwierig. Deshalb, das Schicksal der Menschen ist mir schnell bewusst geworden.”

TK: „Wer mal so einen Augeneingriff hat machen lassen und das ist ja mittlerweile bei vielen der Fall, die diese Geschichten erzählen und auch von Dankbarkeit sprechen, die sagen es sei, als wäre ein Schleier weggenommen worden, ich kann wieder sehen, wie wunderbar. Sie wissen aber auch, dass das Infektionsrisiko recht hoch ist und dass eine ordentliche Nachbehandlung wichtig ist, den Nach-Star gibt es ja auch noch, sodass man später nochmal zur Laserbehandlung muss. Wie ist es darum bestellt in Kambodscha, was jetzt speziell die hygienischen Bedingungen Ihrer Arbeit angeht?”

DB: „Wir hatten ziemlich simple Sterilisatoren, die heute in Deutschland gar nicht zugelassen werden würden. Das muss man ganz offen so sagen. Wir haben versucht, so viel Einmalmaterial wie möglich mitzunehmen, aber wenn man blind ist, kann man ja eigentlich nur gewinnen und ich persönlich war unglaublich überrascht, wenn man den Standard dort vergleicht mit dem was wir hier in Deutschland haben, in der Zeit, in der ich da, in den zwei Wochen hatten wir nicht eine Infektion. Eigentlich kann das gar nicht sein. Wir haben natürlich nachher Antibiotika gegeben, aber wir haben die Patienten wirklich nur am Tag danach gesehen, dann war der Patient wieder weg. Jetzt kann es natürlich sein, dass die Patienten weg waren, Infektion bekommen, wir haben es nicht mitbekommen. Ja, das könnte sein. Aber ich glaube, wenn jemand eine Infektion hat an den Augen, das tut ordentlich weh, der kommt schon wieder.”

TK: „Und das ist erfahrungsgemäß auch relativ schnell, dass sich das einstellt.”

DB: „Also es gibt die akute Form, die ist in ein, zwei Tagen da und dann gibt es die langsame Form, die ist in einer Woche da.”

TK: Jetzt sagen Sie, Sie sind glücklich geworden dabei, Sie werden vorher nicht komplett unglücklich gewesen sein, nehme ich mal an, durch Ihr Engagement des Augenchirurgs Detlev Breyer, nochmal erwähnt, hier zu Gast in der WDR5 Redezeit. Sie engagieren sich in Kambodscha über die Khmer Sight Foundation und haben das auch mit ins Rollen gebracht. Und Ihr erklärtes Ziel ist es, andere Kollegen zu überzeugen damit einzusteigen. Wie läuft das?”

DB: „Das läuft darüber, dass Professor Shah oder Dr. Kretz und ich beim Abendessen – also dazu muss man wissen, dass wir, ich im Jahr auf der Welt ungefähr auf 10 bis 12 Kongressen sind. Als man isst abends mit Kollegen zusammen und dabei erzählt man, 'Das ist ein schönes Erlebnis, macht das doch mal.' Oder ich bin dann auch manchmal so frech und zeige einfach am Ende der wissenschaftlichen Vorträge ein Dia davon und denke mir, da sitzen ja oft 500 oder 1000 Leute in so einem Hörsaal, dass man darüber die Leute begeistern kann. Einfach Kollegen anfixen durch gutes Vorleben.”

TK: „Und das funktioniert?”

DB: „Das funktioniert zum Teil. Es gibt natürlich einige, die sagen nee, ist mir zu gefährlich. Ich muss sagen, es gibt ja immerhin auch spezifische Erkrankungen dort in Kambodscha, Gelbfieber oder irgendwas in der Art, wo man sagt hm, das möchte man nicht unbedingt bekommen und es gibt schon den ein oder anderen der sagt, also helfen würde ich ja schon gerne, aber mir ist das Risiko dann zu hoch oder mir ist das Klima zu warm oder ich hab keine Zeit, weil die Kosten meines Unternehmens sind so hoch, wenn ich dann eine Woche fehle, geht ja auch sehr viel Geld verloren.”

TK: „Ihre Praxis, die Sie mit zwei Kollegen betreiben in Düsseldorf, ist sehr erfolgreich. Sie verhehlen das auch nicht, dass Sie ein wohlhabender Mann dabei geworden sind, bei dieser Arbeit. Sagen aber auch, wer viel hat, kann viel geben. Wann und wie ist das für Sie zu einem Lebensprinzip geworden?”

„Schon immer. Ich komme aus einem sehr christlichen Elternhaus. Meine Eltern waren in der Kirche sozial engagiert. Und meinem Vater ging es auch nicht schlecht und mein Vater war sehr spendenfreudig und bei mir ist es auch so, dass ich das gleiche geistige Gut habe wie meine Praxispartner, wir unterstützen auch zum Beispiel die Oper, Museum, das Obdachlosenmagazin, den Aqua-Zoo, die Sportstadt, kleine Vereine. Ich denke, wenn es einem selber gut geht, sollte man sich sozial engagieren, einfach schon aus Ausrufezeichen, dass eben die, die es irgendwann mal im Leben geschafft haben, sich nicht abgrenzen wollen, Nr. 1 und Nr. 2 ist einfach eine Philosophiegeschichte. Ich finde, es gehört sich wie gute Umgangsformen und wie Respekt vor anderen Menschen. Wem es gut geht, der soll auch helfen.”

TK: „Haben Sie mittlerweile eine Antenne dafür entwickelt, bei wem Sie damit gar nicht landen können?”

DB: „Also es war interessant, wir haben ja ein großes Fest gemacht und hatten um Spenden gebeten und es gibt ja dieses Vorurteil, dass die, die nicht so wahnsinnig viel haben, relativ mehr spenden als die, die viel haben. Und meine Frau und ich haben uns dann den Spaß gemacht die Umschläge zu öffnen und vorher zu schätzen, was denn ungefähr drin ist. Und es ist jetzt, ist natürlich eine kleine Pointe, natürlich ist es nicht immer so, aber es ist schon manchmal so, dass man sagt, bei manchen Menschen meine Güte, haben die jetzt viel da reingelegt und andere, wo man sagt Mensch, für den ist es ein Cent-Betrag auf seinem Konto im Vergleich zu dem was er eigentlich abgeben könnte und grade bei Aktionen wo ein Freund irgendwas macht und nicht einen Cent dabei verdient, ja. Gut, manchmal staunt man.”

TK: „Ja und Sie lernen die Leute auch mal von einer ganz anderen Seite kennen.”

DB: „Ja, ja, ja. ”

TK: „Übers Portemonnaie. Interessant.”

DB: „Sehr richtig, sehr richtig. Man kann seine Freunde dann besser einschätzen, ja. Das empfehle ich jedem mal.”

TK: „Kambodscha ist wirklich ein sehr armes Land, auch wenn es sich nach der furchtbaren Zeit der Kriege und der Bürgerkriege und der Roten Khmer jetzt wirtschaftlich auf einem guten Weg befindet, aber immer noch sehr arm. Es hat aber eine großartige Touristenattraktion, die Tempelanlagen von Angkor Wat. Haben Sie die schon gesehen?”

Die Tempelanlagen von Angkor Wat in Kambodscha.
Blick auf die die Tempelanlagen von Angkor Wat. Foto: Michael Payne

DB: „Habe ich gesehen am Ende und sowohl meine Frau als auch ich haben gesagt, das war für uns bis jetzt das Beeindruckenste auf der Welt. Und wir sind wirklich in der ganzen Welt rumgereist, das ist unser Hobby. Meine Frau und ich reisen ganz viel und ich habe, ich persönlich, noch nie was Beeindruckenderes gesehen und die sind ja zum Teil, das sind ja mehrere Anlagen, die meisten sind top renoviert, aber eigentlich mit Abstand der Schönste ist der aus dem Film Tomb Raider.”

Die Tempelanlage von Angkor Wat aus der Nähe.
Die Tempelanlage von Angkor Wat aus der Nähe betrachtet. Foto: James Wheeler

TK: „Der so mit Wurzeln zugewachsen ist.”

DB: „Genau, der mit Wurzeln zugewachsen ist. Also dort, wenn man da morgens hingeht, die Sonne aufgeht, man fühlt sich wie in dem Film. Man ist zutiefst beeindruckt.”

TK: „Von dieser Tempelanlage.”

DB: „Ja.”

TK: „ Ist es jetzt, dass Sie, wenn Sie Urlaub machen und so gern Urlaub machen, dass Sie eigentlich so fast ein bisschen auch ein schlechtes Gewissen haben, wenn Sie in so einem Land sind, weil Sie sagen mein Gott, ein Tag Urlaub, da hätte ich jetzt vielleicht 50 Menschen helfen können?”

DB: „Ehrlich gesagt nein. Also ich denke, sonst müsste man sich diese Frage ja jeden Tag stellen. Es ist ja auch so, Sie hatten es vorhin als Privatpraxis betont, das stimmt, ich mach 95 % Privat, aber wenn meine Kollegen, wir sind ein großes Konglomerat von 11 Ärzten und wenn meine Kollegen irgendein Problem haben, dann ist es für mich selbstverständlich, dass ich Kassenpatienten angucke. Völlig normal und auch völlig selbstverständlich wenn mal eine Oma mit einer 400 € oder 500 € Rente die ein oder andere Zusatzleistung nicht bezahlen kann, dass man sie da mehr als deutlich unterstützt. Also das ist etwas wo ich sag, aufgrund der „Lebensleistung“, ich kümmere mich jeden Tag um andere Menschen und wenn jetzt jemand kommen würde und sagt, du machst ja auch noch Urlaub einen Tag oder zwei Tage, das fände ich dann schon ein bisschen dreist. So selbstbewusst bin ich, dass ich dagegen halten würde, ja.”

TK: „Wie geht das weiter für Sie, das Projekt?”

DB: „Dieses Jahr wird mein Kollege, der Glaskörpernetzhaut-Spezialist ist, auch den Grünen Star recht gut operiert, der Dr. Klabe dabei sein und nächstes Jahr möchte ich wieder dabei sein und stell mir eigentlich ein Stipendium vor. Das kam witziger Weise grade in der Vorbereitung auf dieses Gespräch, weil wir auch andere Fachärzte dort mit ausbilden möchten, dass sie irgendwann mal selber auf eigenen Füßen stehen und wo ich mir gedacht hab, so ein Stipendium wär irgendwas Schönes, jemanden mal so drei Monate zu sich zu holen, dass er mit in den OP gehen kann, dass er sieht, wie das bei uns strukturiert ist.”

TK: „Und man kann Sie ja auch googlen. Dr. Detlev Breyer, sagen wir nochmal, aus Düsseldorf, wenn jemand Kontakt mit Ihnen aufnehmen möchte. Weil, Sie suchen noch Menschen, die dort entsprechend auch mit Ihnen aktiv sind, in Kambodscha.”

DB: „Klar. Oder es gibt auch, ich weiß nicht, ich glaube im Internet kann man, wenn man 'Khmer Sight Foundation' eingibt oder unter khmersight.com auch Geld spenden, wenn man möchte. Und das Schöne ist wirklich, von einem Euro kommt tatsächlich alles an, niemand, der in dieser Organisation arbeitet, kriegt für Verwaltung oder irgendetwas Geld.”

TK: „Alles andere wird privat bezahlt oder ...”

DB: „So ist es. Jeder, der dabei ist, bringt sich voll ein.”

TK: „Ja, dann wünschen wir Ihnen viel Erfolg dabei und danke, dass Sie davon berichtet haben. Dr. Detlev Breyer, Augenchirurg aus Düsseldorf, aktiv in der Khmer Sight Foundation in Kambodscha. Danke sehr.”

DB: „Vielen Dank für das Gespräch.”

TK: „Müssen Sie heute noch operieren?”

DB: „Ja, ich muss noch operieren und auch noch Patienten sehen, ja.”

TK: „Dann viel Erfolg.”

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