Wie ich ich mein Augenlicht durch Diabetes verlor

Portraitfoto Leonie Watson

Als Léonie Watson noch ein Mädchen war, wurde bei ihr Diabetes Typ I diagnostiziert. Insulinspritzen und regelmäßige Blutzuckerkontrollen gehörten seitdem zu ihrem Alltag – bis sie als Teenager dagegen rebellierte. Mit Anfang 20 verlor sie infolge ihrer diabetischen Retinopathie innerhalb eines Jahres ihr Augenlicht. In ihrem Weblog beschreibt sie sehr ergreifend, wie es dazu kam. Wir waren davon so beeindruckt, dass wir ihren Beitrag für Sie übersetzt haben.

Wir haben Léonies Geschichte vor allem für unsere jüngeren Patienten mit Diabetes ins Deutsche übersetzt und möchten sie Ihnen wärmstens ans Herz legen. Als Ärzte können wir Ihnen nur mit Argumenten dazu raten, Ihre Augen regelmäßig untersuchen zu lassen und Ihre Therapie sehr ernst zu nehmen. Die persönlichen Erfahrungen von Léonie Watson, die ihren Diabetes über viele Jahre verdrängt hat und dadurch ihr Augenlicht verlor, helfen vielleicht einigen unter Ihnen an der Therapie festzuhalten, auch wenn Sie keine Symptome spüren.

Wir bedanken uns bei Léonie für ihre freundliche Zustimmung, ihre Geschichte veröffentlichen zu dürfen und bewundern, wie sie ihr Schicksal gemeistert hat.

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Ich weiss nicht, wer das hier überhaupt lesen wird. Und auch nicht, warum es auf einmal so wichtig für mich ist, es aufzuschreiben. Jedenfalls ist hier die Geschichte eines Ereignisses, das mein ganzes Leben verändert hat.

So beginnt Leonie Watson, alias Tink, ihren englischen Blogeintrag vom 3. Oktober 2015. Es ist ausnahmsweise kein Posting über technische Aspekte von Barrierefreiheit, auf die die Computerwissenschaftlerin spezialisiert ist. Dieser Beitrag ist autobiografisch und erzählt, wie sie erblindete.

Ich verlor mein Augenlicht innerhalb von 12 Monaten, von Ende 1999 bis Ende 2000. Und es war größtenteils meine Schuld, dass es passiert ist.

Nachdem bei ihr in jungen Jahres Diabetes mellitus Typ I diagnostiziert worden war, akzeptierte sie die tägliche Routine eines Diabetikers, auch die jährlichen Kontrollen beim Arzt nahm sie war. Doch in der Pubertät änderte sich alles:

Als ich ein Teenager war, bemerkte ich, dass nichts Schlimmes geschah, wenn ich eine Insulinspritze wegließ. Am Anfang war es keine Absicht, aber mir fiel auf, dass ich ab und zu damit durchkommen könnte.

Sie verstand nicht, warum ihr Körper nicht so funktionierte wie er sollte und ließ immer wieder ihre Insulininjektionen aus. Gerade so viele, dass es niemand bemerkte. Da sie bis dahin keine Symptome hatte, wähnte sie sich in Sicherheit. Sie genoss ihr Studentenleben in vollen Zügen und verdrängte ihren Diabetes über Jahre hinweg.

Und dann, eines Morgens im Oktober 1999, wachte ich mit einem Kater auf. Als ich mich im Spiegel betrachtete, sah ich einen rötlichen Blutfaden in meinem Auge schweben.

Nach all den Jahren war dies das erste für sie wahrnehmbare Anzeichen ihrer Erkrankung. Was sie nicht bemerkt hatte, waren die Schäden, die der Diabetes bis dahin an ihrer Netzhaut verursacht hatte: Bereits im Frühstadium führt die diabetische Retinopathie zu einer Unterversorgung der Netzhautgefäße. In diesem Stadium lässt sich die Schwellung der Netzhaut nur mit dem OCT diagnostizieren.

Um die Unterversorgung zu kompensieren, bildet der Körper im fortgeschrittenen Stadium krankhafte Blutgefäße, die auch in den Glaskörper hineinragen und so porös sind, dass Flüssigkeit und Blut austritt. So kam es zu dem Blutfädchen, das Léonie gesehen hat.

Wenn Flüssigkeit unter die Netzhaut gelangt, hebt diese sich von ihrer nährenden Unterlage ab. Das führt dazu, dass die empfindlichen Sinneszellen absterben. Die Ärzte empfahlen ihr daher eine Laserbehandlung, d.h. eine Laserkoagulation, die die porösen Gefäße abdichtet und die Netzhautschichten miteinander verschmelzen lässt. Diese Therapie grenzt den Schaden ein, kann aber geschädigte oder untergegangene Sehzellen nicht wiederherstellen. Je später sie also einsetzt, desto weniger Sehkraft kann sie retten. Aus dem Grund raten wir, schon im Frühstadium zu behandeln, um das Gefäßwachstum einzudämmen.

Trotzdem erinnere ich mich an den Tag, an dem ich es mir selbst eingestand. Meine Sicht hatte sich über Monate verschlechtert und eines Tages im Frühling 2000 passierte es. Ich weiß nicht warum, aber als ich die Treppen zuhause herunterging, traf es mich wie ein Schlag: Ich werde blind sein.

Nach einer Zeit voller Verzweiflung und Wut entdeckt sie neue Möglichkeiten und Hilfsmittel kennen und lernt mit ihrer Blindheit umzugehen. Sie studiert Computerwissenschaften und arbeitet heute für ein Unternehmen, das sich auf das Thema Barrierefreiheit für Menschen mit Sehbehinderungen spezialisiert hat. Sie schreibt Beiträge für Fachzeitschriften, hält Vorträge und setzt sich als Vorsitzende des British Computer Association of the Blind (BCAB) dafür ein.

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Die Originalversion können sie auf dem Weblog von Léonie Watson auf englisch lesen.

  • Teaserfoto Vorsorge für Diabetiker

    Vorsorge für Diabetiker

    Diabetiker haben ein 25-mal größeres Risiko zu erblinden. Der Berufsverband der Augenärzte, die Initiativgruppe Früherkennung diabetischer Augenerkrankungen (IFDA) und die Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Auge (AGDA) raten daher zu jährlichen Vorsorgeunter­suchungen, um die Krankheit rechtzeitig behandeln zu können.

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  • Teaserfoto Diabetische Retinopathie (NPDR)

    Frühstadium

    Im Frühstadium führt die diabetische Retinopathie zu Blutungen, Gefäßerweiterungen (Mikroaneurysmen) und Fettablagerungen in den Gefäßen der Netzhaut und im umliegenden Gewebe. Dadurch entstehen bereits Schäden an der Netzhaut oder Makula, ohne dass sich die Sehschärfe verschlechtert.

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  • Teaserfoto Diabetische Retinopathie (PDR)

    Spätstadium

    Im Spätstadium der diabetischen Retinopathie reagiert der Körper auf die Unterversorgung mit der Bildung neuer Blutgefäße. Dabei wachsen neue Gefäße in den Glaskörper hinein und führen dort zu Blutungen und zu Ablösungen der Netzhaut. Die Sehkraft verschlechtert sich dabei schlagartig.

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