Welche Rolle spielt die Genetik bei der Entstehung von Kurzsichtigkeit bei „Millenials“?

In den letzten Jahrzehnten hat Kurzsichtigkeit (Myopie) in epidemiehaftem Ausmaß zugenommen. Als Ursachen dafür gelten neben der Genetik ein geänderter Lebensstil, neue Sehgewohnheiten und moderne Technologien. Kurzsichtigkeit ist unter den Geburtsjahrgängen von 1982 bis 2000, den sogenannten „Millenials“, besonders stark verbreitet. Hat sich der Anteil genetischer Faktoren in einem gemeinsamen Umfeld, das die Entwicklung von Kurzsichtigkeit fördert, verändert? Dieser Frage ging eine Studie nach, die in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht wurde.

Junge Studenten, zwei davon mit Brille, sind in einem Seminarraum und schauen gemeinsam in ein Tablet.

Kurzsichtigkeit scheint in der Generation der Millenials zunehmend durch den Einfluss gemeinsamer Umweltfaktoren verursacht zu werden, während die Rolle genetischer Faktoren zurückgeht. © Martin Dimitrov

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Der Myopie-Boom und die Suche nach den Ursachen

2015 berichtete das Fachmagazin "Nature" in seinem Artikel The Myopia Boom über den Zusammenhang zwischen dem Myopierisiko von Kindern und der Zeit, die sie regelmäßig im Freien verbrachten. Inzwischen weiß man, dass Tageslicht einen regulierenden Einfluss auf das Längenwachstum des Augapfels hat:

  • Der regelmäßige Aufenthalt von Kindern im Freien kann das Myopierisiko senken,
  • die Entstehung von Kurzsichtigkeit hinauszögern und
  • das Fortschreiten einer vorhandenen Kurzsichtigkeit etwas verlangsamen.

Eine bestehende Kurzsichtigkeit ist dadurch aber weder rückgängig zu machen, noch zu reduzieren.

Welche Rolle spielen die Gene in einem Umfeld, das Kurzsichtigkeit begünstigt?

Lange Zeit ging man davon aus, dass Kurzsichtigkeit häufiger bei Kindern vorkommt, deren Eltern selbst kurzsichtig sind – unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit. Dennoch kann Genetik allein den Myopie-Boom nicht erklären. Mithilfe der Zwillingsforschung lassen sich die Bedeutung und Varianz von Genetik und gemeinsamen Umwelteinflüssen bei der Ausprägung von Merkmalen eines Organismus besonders gut feststellen. Die jetzt veröffentlichte Zwillingsstudie von Dibyendo Pusti et al. untersuchte Teilnehmer aus der Generation der Millenials und ging der Frage nach, wie hoch der Anteil von genetischen Faktoren gegenüber gemeinsamen Umwelteinflüssen ist, die die Entstehung von Kurzsichtigkeit begünstigen. Der Einfluss genetischer Faktoren müsste bei einer Zunahme von Myopie-begünstigenden Faktoren an Bedeutung verlieren – so ihre These.

Zu den Myopie-begünstigenden Faktoren gehören beispielsweise

  • ein hohes Bildungsniveau, das mit langen Ausbildungszeiten eingeht
  • sowie übermäßig viel Naharbeit in geschlossenen Räumen
  • und wenig Zeit im Tageslicht

Die Studie wurde daher bewusst nur mit Universitätsstudentinnen und Studenten durchgeführt. In der Zeit von Januar 2017 bis July 2018 nahmen insgesamt 200 Studentinnen der Universität Murcia, Spanien, daran teil, darunter 54 eineiige (MZ) Zwillingspaare mit einem Durchschnittsalter von 22,6 ± 4.0 Jahren und 46 zweieiige Zwilllingspaare (DZ) mit einem Durchschnittsalter von 21,4 ± 2,4 Jahren. Im Durchschnitt war das Geburtsjahr 1995,8 ± 3,0. Insgesamt 77 Prozent der Studienteilnehmerinnen waren kurzsichtig.

Mittels verschiedener Messverfahren wurden das Sphärische Äquivalent, die Sehschärfe und die Länge des Augapfels gemessen. Das durchschnittliche Spärische Äquivalent (SE) einer manifesten Refraktion (der Brechkraft des Auges) waren −2,0 ± 2,0 dpt (Range: +3,8 to −7,0 dpt) in der Gruppe der eineiigen Zwillinge und −2,2 ± 2,1 dpt (Range: 0,0 to −9,8 dpt) in der Gruppe der zweieiigen Zwillinge.

Ähnliche Korrelationen von moderater zu hoher Myopie in beiden Gruppen deute auf eine Kombination der Auswirkungen genetischer Faktoren und gemeinsamer Umweltfaktoren auf das untersuchte Merkmal hin, so der Schluss der Forschergruppe.

Sie verglichen ihre Ergebnisse mit einer früheren Studie mit Zwillingspaaren aus der gleichen Region, die zum Zeitpunkt der Messungen (2014) durschnittlich 54,9 ± 6,3 Jahre alt waren (das durchschnittliche Geburtsjahr war 1958,3 ± 6.7). Der Anteil an Teilnehmerinnen mit einer höheren Schulbildung war geringer und es ist davon auszugehen, dass der Anteil an Naharbeit, die sie zu verrichten hatten, kleiner war. 20 Prozent von ihnen waren kurzsichtig. Der Anteil genetischer Faktoren lag nach dem ACE-Modell* bei 79 Prozent.

Linke Seite: die Verteilung von Sehfehlern in der früheren Studie von Benito et al., rechts die Verteilung in der Studie von D. Pusti et al. Der Anteil von Hyperopie bei Benito et al. ist vermutlich auf die bereits einsetzende Alterssichtigkeit der Teilnehmer zurückzuführen.

Dabei stellten sie einen signifikanten Unterschied in Bezug auf das durchschnittliche Sphärische Äquivalent von 2 dpt. in der Gruppe der Millenials fest, also eine deutliche Zunahme der Kurzsichtigkeit innhalb von rund vier Jahrzehnten. Der Anteil genetischer Faktoren lag nach dem ACE-Modell* bei nur 25 Prozent.

Die These der Forschergruppe wurde damit bestätigt. Natürlich ist die Studie aufgrund der recht kleinen Anzahl von Teilnehmern nicht repräsentativ, es sind weitere Studien nötig, um das Ergebnis zu untermauern.

Warum ist die Erforschung der Ursachen von Myopie so wichtig?

Kurzsichtigkeit entsteht, wenn der Augapfel zu sehr in die Länge wächst und sich dadurch das in das Auge einfallende Licht nicht mehr genau auf der Netzhaut fokussiert. Für Betroffene bedeutet das nicht nur, dass sie zeitlebens auf Brille oder Kontaktlinsen angewiesen sind. Je nach Stärke der Kurzsichtigkeit wächst auch ihr Risiko einer Netzhauterkrankung, einer Netzhautablösung oder Erblindung. Sie können zudem deutlich früher als normalsichtige Menschen an einem grauen oder grünen Star erkranken.

2016 prognostizierte das Brian Holden Vision Institut, dass 2050 die Hälfte der Weltbevölkerung kurzsichtig sein wird, wenn dieser Trend sich ungebrochen fortsetzt. Die Erforschung der Ursachen für das krankhafte Längenwachstum des Auges hat also gesellschaftliche Dimensionen.

*/ Das ACE-Modell ist ein statistisches Modell zur Analyse der Ergebnisse von Zwillingsstudien. Ziel ist es, Quellen phänotypischer Variationen in drei Kategorien zu zerlegen: additive genetische Varianz, gemeinsame Umweltfaktoren und spezifische Umweltfaktoren plus Messfehler.

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